FAKTENCHECK: Ist Deutschland eine GmbH?

Ist Deutschland in Wahrheit nur eine Firma und sind die Bundesbürger bloß Angestellte?
In den sozialen Medien wird diese Theorie immer häufiger vertreten. Die Deutsche Anwaltauskunft hat die Legende von der Deutschland GmbH einem Faktencheck unterzogen.

Die Argumente für diese Behauptung sind dabei ganz unterschiedlich, besonders häufig lesen wir allerdings von der „Deutschland GmbH“. Die These hier: Deutschland sei nicht etwa ein Staatsgebilde, sondern schlicht eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Seine Einwohner seien keine Staatsbürger, sondern einfache Angestellte. Als Gründer der GmbH nennen interessierte Kreise beispielsweise die Vereinigten Staaten, die mit dieser Institution das deutsche Volk seiner Souveränität berauben und es ausbeuten wollten.

Die geheimnisvolle Firma in Frankfurt
Bei der in Frankfurt registrierten „Deutschland GmbH“ wird es kniffliger – denn die gibt es tatsächlich. Und in ihrem Eintrag im Handelsregister findet sich wirklich das Datum 29.08.1990. Stimmt es also, dass unsere Geschicke von einer dubiosen Firma mit einem eingetragenen Stammkapital von 50.000 D-Mark gelenkt werden?

Die eindeutlige Antwort lautet: Nein. Dazu genügt schon der Blick auf den vollständigen Namen des Unternehmens im Handelsregister: „Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH“. Es handelt sich dabei um ein Unternehmen, das vollständig im Besitz des Bundes ist und sich kurz gesagt darum kümmert, dass Deutschland flüssig bleibt.

Bekanntermaßen hat die Bundesrepublik nicht unerhebliche Schulden und muss permanent dafür sorgen, dass alte Kredite abgelöst, neue aufgenommen und überschüssiges Geld am Markt möglichst gewinnbringend angelegt werden. Genau dafür ist die vermeintliche „Deutschland GmbH“ zuständig.

Anders als gelegentlich behauptet wird, entscheidet die Agentur aber keinesfalls selbstständig über die deutsche Staatsverschuldung und kontrolliert auch keine Finanzämter oder sonstige Behörden. Sie ist lediglich ein ausführender Dienstleister des Bundesfinanzministeriums mit einer klar definierten und beschränkten Aufgaben. Mit der sonstigen Organisation des Staatswesens und der Steuererhebung hat dieses Unternehmen rein gar nichts zu tun.

Dass es sich bei der Agentur um eine GmbH handelt, hat rein praktische Gründe. Theoretisch könnte auch eine ganz normale Behörde die Aufgaben der Finanzagentur übernehmen. Dass die privatwirtschaftliche Form gewählt wurde liegt einfach daran, dass dies am Finanzmarkt so üblich ist und diese Form schlicht günstiger ist als ein Amt mit riesigem Beamtenapparat.

Es gibt mehr als eine Deutschland GmbH
Die Finanzagentur ist bei weitem nicht die einzige GmbH, die vollständig im Besitz des Bundes ist. Auch die Deutsche Flugsicherung oder die Bundesdruckerei sind reine Staats-GmbHs. Auch Städte und Gemeinden lassen ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten – auch solche der Daseinsvorsorge – von gemeindeeigenen GmbHs durchführen.

Die Verdächtigungen gegenüber der Finanzagentur haben wohl vor allem mit dem Begriff „Bundesrepublik Deutschland“ als Namensbestandteil zu tun. Der erklärt sich aber einfach dadurch, dass der Name genau wie „Deutsche Flugsicherung“ ganz platt den Geschäftszweck des Unternehmens ausdrückt: Es ist die Finanzagentur, die als einzigen Kunden und Besitzer die Bundesrepublik Deutschland hat.

Rein logisch sollte dadurch auch klar sein, dass die Gleichung „Bundesrepublik Deutschland GmbH“ = „Deutschland insgesamt“ nicht funktioniert, denn sonst würde Deutschland sich gewissermaßen selbst besitzen.

Das falsche Gründungsdatum
Auch das so verdächtige Gründungsdatum der „Deutschland GmbH“ kurz vor der Wiedervereinigung lässt sich aufklären. Im Internet, beispielsweise auch bei Wikipedia, wird häufig der 29. August 1990 als Gründungsdatum genannt.

Als Quelle dafür dient ein einziges Zitat aus dem Handelsregistereintrag in Frankfurt, der einen Gesellschaftsvertrag mit diesem Datum anführt. Was fast niemand erwähnt: Der 29.8.90 ist gar nicht das Gründungsdatum der Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH. Diese wurde gut zehn Jahre später im Jahr 2000 ins Leben gerufen und bündelte Funktionen, die vorher unterschiedliche andere Stellen übernommen hatten.

Die Gründung der GmbH und die Wiedervereinigung stehen damit in keinem zeitlichen Zusammenhang. Der Gesellschaftsvertrag aus dem Jahr 1990 ist deshalb im Handelsregister vermerkt, weil die Finanzagentur nicht als neues Unternehmen entstand, sondern der Bund lediglich ein „altes“ Unternehmen umbenannte, das er sowieso schon besaß.

Dabei handelte es sich um die „CVU Systemhaus GmbH“, die vorher für die Abwicklung eines DDR-Unternehmens zuständig und danach gewissermaßen überflüssig gewesen war. Vereinfacht gesagt recyclte der Bund ein Unternehmen, um es dann für eine völlig neue Aufgabe zu nutzen. Vor dem Jahr 2000 gab es aber definitiv keine „Bundesrepublik“ im Firmennamen.

Festzuhalten bleibt: Was immer man von Deutschland und seinen Finanzen halten mag, eine GmbH ist die Bundesrepublik nach nüchterner juristischer Betrachtung ganz sicher nicht.

QUELLEN 
Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH -Historie
http://www.deutsche-finanzagentur.de/de/finanzagentur/ueber-uns/historie/ 
Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH – Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesrepublik_Deutschland_%E2%80%93_Finanzagentur_GmbH 
Anwaltsauskunft: Ist Deutschland eine GmbH?
https://anwaltauskunft.de/magazin/gesellschaft/staat-behoerden/989/ist-deutschland-eine-gmbh/

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